Wenn man den Kaffeesatz mal wissenschaftlich liest...

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(This interview is also available in English).

Noch nie standen Kaffee, Avocado und Cashew so sehr im gemeinsamen Rampenlicht: Eine kürzliche Studie zu den Folgen des Klimawandels für diese drei Kulturen löste ein internationales Medienecho aus. Sie basiert auf Berechnungen mit CONSUS, einem mit unserer Unterstützung entwickelten Agrarplanungsprogram. Im ersten von zwei Beiträgen zu dieser sehr wichtigen Studie reden wir mit dem Erstautor, Roman Grüter von der ZHAW. 

Syngenta Stiftung: Wie würden Sie Ihre Befunde kurz zusammenfassen?
Roman Grüter: Klimaveränderungen entscheiden mit darüber, welche Kulturen Landwirte künftig wo anbauen können. Wir haben diese Veränderungen für Kaffee (Arabica), Avocado und Cashew global modelliert. Für alle drei Kulturen erwarten wir sowohl negative als auch positive Entwicklungen, je nach Region. 

Was heisst das in der Praxis? 
Für Kaffee wird sich die Eignung primär verschlechtern, insbesondere in den heutigen Hauptanbaugebieten. Cashew und Avocado sind weniger anfällig. Aber auch hier erwarten wir negative Veränderungen in wichtigen Anbaugebieten. Entscheidend für die künftige Produktion sind aber neben der Klimaveränderung auch Anpassungsmassnahmen. Dazu gehören z.B. neue Anbautechniken und Züchtungen. Es ist sehr wichtig, dass lokale Bauern und Bäuerinnen an den Veränderungsprozessen von Anfang an beteiligt sind.

Ihre Publikation hat viel Medienresonanz erzeugt. Wie sind Sie damit umgegangen? Was bedeutet eine starke öffentliche Wahrnehmung allgemein für Wissenschaftler/innen? 
Das grosse internationale Medienecho war für uns unerwartet – und bedeutete auch viel Zusatzarbeit! Die vielen Gespräche und Mails mit Wissenschaftsjournalist/innen aus aller Welt waren und bleiben weiterhin eine sehr aufregende und spannende Erfahrung. Einerseits gibt uns diese Resonanz die Möglichkeit, gewisse Aspekte der eigenen Forschung besonders hervorzuheben und mit einer breiteren Öffentlichkeit in Kontakt zu treten. Andererseits motivieren uns kritische Rückmeldungen zur Erforschung bisher nicht berücksichtigter Aspekte.  

Was sind das für Themen? 
Es kam beispielsweise die Frage nach einem längeren Zeithorizont. Eine andere Person hätte sich auch die Modellierung von Robusta-Kaffee gewünscht, nicht nur Arabica. Die Berücksichtigung mehrerer Sorten war auch bei Avocado ein Wunsch. Ein Leser meinte ferner, dass wir jeweils mehr als lediglich die vier wichtigsten Anbauländer pro Kultur hätten aufführen sollen. 

Welche Fragen oder Kommentare zur Studie haben Sie am meisten überrascht? 
Uns haben generell das grosse Echo und insbesondere auch der Detaillierungsgrad der Fragen erstaunt. Die Wissenschaftsjournalist/innen hatten die Studie minuziös gelesen. Insgesamt war aber die Art der Beiträge sehr unterschiedlich. Sie reichten von sehr wissenschaftlichen Artikeln, die fast jedes Detail diskutierten, bis zu Kurzkommentaren aus Sicht der Konsument/innen in der Laienpresse. Einige Medien haben weitere Expert/innen befragt. Andere haben die Studienergebnisse mit passenden Geschichten kombiniert, z.B. über die Herausforderungen des erst kürzlich begonnenen Avocado-Anbaus auf Sizilien. Eine Zeitschrift hat unsere Ergebnisse aus dem Datenspeicher heruntergeladen und extra visualisiert. 

Überrascht hat uns allerdings, dass bei vielen Berichten Kaffee im Mittelpunkt stand. Eigentlich haben unsere Ergebnisse zu Avocado und Cashew mehr ‘Neuheitscharakter’. Der Anbau dieser zwei Kulturen wurde bislang nämlich weniger im Zusammenhang mit dem Klimawandel untersucht als jener von Kaffee. 

Das bringt uns zurück zur Erstellung der Studie. Was war für Ihr ZHAW-Team die grösste Herausforderung dabei?
Die Modellierungen von drei global relevanten Kulturen zu kombinieren und auszuwerten. In einer einzigen Studie kann man nicht die Resultate für jede betroffene Anbauregion im Detail diskutieren. Andererseits hatten wir den Anspruch, unsere Ergebnisse in ausreichender Tiefe auszuwerten, um für alle betroffenen Anbauregionen relevante Informationen zu liefern.

Ob global, ob lokal: Kleinbäuerinnen und -bauern einbeziehen, gleich zu Beginn

Wenn Sie die Studie in drei weiteren Kulturen weiterführen würden, welche wären es?
Das können wir noch nicht sagen. Generell interessieren wir uns aber für verschiedene Kulturen, die zu einer pflanzenbasierten, zukunftsfähigen Ernährung beitragen. Das kann auch auf regionaler oder lokaler Ebene sein, unter Berücksichtigung der entsprechenden Kontexte.

Was ist Ihre Vision für CONSUS? Wie können die Resultate aus diesem Agrarplanungstool praktisch umgesetzt werden?
Unsere Ergebnisse sind insbesondere für die landwirtschaftliche Planung und Beratung, für Beschaffungs- und Verarbeitungs-Unternehmen relevant. Sie dienen aber auch als Grundlage für die Züchtung und für die Weiterentwicklung anderer Klima-Anpassungsmassnahmen. Unser Team betont: Die Fachwelt muss Kleinbäuerinnen und -bauern unbedingt gleich zu Beginn in die notwendigen Veränderungen ihrer Anbausysteme miteinbeziehen. Das kann z.B. über Vertretungen aus Produzentenorganisationen und Kooperativen geschehen.

Welche Weiterentwicklungen plant Ihr Team bei CONSUS? An welchen Partnerschaften sind Sie für die weitere Entwicklung und Anwendung interessiert?
Wir sind an jeglicher Art von Partnerschaft interessiert, sei es mit der Forschung, der Praxis, Unternehmen, Verwaltungen oder auch weiteren Stiftungen. Wichtig dabei ist, dass wir gemeinsame Interessen und Stossrichtungen im Sinne der Agrarökologie finden. Das gilt sowohl auf globaler wie auch auf regionaler oder lokaler Ebene. Uns interessieren neben Eignungsmodellierungen auch die Entwicklung von Klimaschutz- und -anpassungsmassnahmen sowie die Untersuchung sozialwissenschaftlicher Aspekte.

Sie arbeiten seit längerem mit unserer Stiftung zusammen, aber auch mit vielen anderen Partnern. Was zeichnet für akademisch Forschende eine gute Partnerschaft aus?
Dass man sich gegenseitig vertraut und gemeinsame Visionen und Vorstellungen verfolgt. In unserem Fall sind das z.B. die Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und eines nachhaltigen Ernährungssystems nach den Prinzipien der Agrarökologie. Ausserdem unabdingbar ist, dass wir als Wissenschaftler in guten Partnerschaften unabhängig agieren können. Das heisst zum Beispiel: die Ergebnisse unserer Forschung in jedem Fall frei publizieren, unabhängig davon, wie sie ausfallen.